Game Boy Advance History

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SGGG
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Game Boy Advance History

Beitrag von SGGG »

Unsere letzte Hardware-Reportage drehte sich um das N64, das 1996 herauskam. Nach dem N64 erschienen 2001 gleich zwei neue Nintendo-Konsolen – der Game Boy Advance und der GameCube. Da der Handheld in Japan ein halbes Jahr vor dem GameCube auf den Markt kam, ist zunächst er an der Reihe. Und dazu haben wir natürlich wieder Interessantes herausfinden können – etwa über das mysteriöse „Project Atlantis“ und über eine Art DS-Prototyp von 1995. Was das mit dem Game Boy Advance (GBA) zu tun hat und wie dieser schließlich entstanden ist, erklären wir in diesem Bericht.
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Das mysteriöse „Project Atlantis“
Ältere Leser werden sich vielleicht noch daran erinnern: Ab März 1996 kamen Gerüchte über einen Nachfolger des Game Boy auf. Dieser wurde als Handheld mit Farbbildschirm und 32-Bit-ARM-Prozessor beschrieben und unter dem Codenamen „Project Atlantis“ gehandelt. Ein Gerät, auf das diese Beschreibung zutreffen könnte, brachte Nintendo aber erst fünf Jahre danach heraus. Zuvor erschien zwar der Game Boy Color, doch passen die Angaben nicht zu diesem Gerät.

Darum wird „Project Atlantis“ gemeinhin mit dem GBA gleichgesetzt, aber auch das ist nicht stimmig. „Das System wird einen 3×2 Zoll großen Farb-LCD-Bildschirm, mindestens vier Tasten, einen Verbindungsanschluss sowie einen Anschluss für einen externen Controller umfassen“, heißt es in Ausgabe 83 der Electronic Gaming Monthly (EGM) zum Thema „Project Atlantis“. Das passt gar nicht zum finalen GBA: 3×2 Zoll entspricht 7,62×5,08 cm – doch der uns bekannte GBA hat einen 4,08×6,12 cm großen Bildschirm. Außerdem hat er nicht, wie von EGM angegeben, vier, sondern bloß zwei Tasten. „Nintendo Japan arbeitet angeblich an 'Mario's Castle' – dem ersten Spiel für dieses System“, schrieb EGM weiter, doch auch ein solches Spiel ist uns nicht bekannt.

Da hörten die Gerüchte aber nicht auf. Eine atemberaubende Batterielaufzeit von 30 Stunden solle das Gerät haben, und was die Technik betrifft, so sollte „Project Atlantis“ offenbar ein wahres Monstrum von Konsole werden. Der Prozessor werde auf 160 Mhz getaktet sein und 3D-Grafik auf dem Niveau von N64 und PlayStation auf den kleinen Bildschirm zaubern, hieß es – und erscheinen sollte das Gerät wohlgemerkt schon Ende 1996/Anfang 1997. Fünf Jahre befindet sich der GBA mit 16 Mhz bloß auf dem technischen Niveau des SNES.

Die Wahrheit über „Project Atlantis“
Es sollte nun evident sein, dass „Project Atlantis“ nicht mit dem GBA identisch ist. Doch die Gerüchte stimmten zumindest teilweise, denn Mitte 1996 bestätigte Nintendo selbst die Existenz von „Project Atlantis“. Und einige Jahre später hat ein damals am Projekt beteiligter Mitarbeiter den Prototyp des Gerätes sogar der Öffentlichkeit vorgestellt. Der DSi-Projektleiter Masato Kuwahara zeigte den Prototyp 2009 in einem Vortrag auf der Game Developers Conference (GDC). Ihm zufolge war Project Atlantis“ 1995/1996 in der Entwicklung und erhielt seinen Namen von den 1996 in Atlanta stattgefundenen Olympischen Spielen.

Die Zeit war damals aber noch nicht reif für die Markteinführung von „Project Atlantis“. Denn 1996 veröffentlichte Nintendo den Game Boy Pocket, eine Hardwarerevision mit exakt derselben Technik, wie sie schon sieben Jahre zuvor dem Game Boy als Innenleben diente. Der Game Boy Pocket wurde ein überraschend großer Erfolg; hinzu kam in Japan das Phänomen „Pokémon“, das den eigentlich am Ende seines Lebenszyklus angelangten Game Boy wiederbelebte. Für „Project Atlantis“ war darum aus Nintendos Sicht zunächst einmal kein Bedarf. Nun sollte das Gerät erscheinen, sobald die Game-Boy-Verkäufe nachließen. Darum verschob Nintendo die Veröffentlichung von „Project Atlantis“.
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Diesen Prototyp eines Game-Boy-Nachfolgers zeigte Masato Kuwahara auf der GDC 2009. Das ist „Project Atlantis“ – die damaligen Gerüchte waren wahr.

Zu schön, um wahr zu sein
Ende 1997 peilte Nintendo nun als Termin für „Project Atlantis“ an, und angeblich wurden gegen Ende 1997 auch entsprechende Dev-Kits versandt. Doch statt einer Veröffentlichung folgte, still und heimlich, die Einstellung des Projektes. Kuwahara erklärte 2009, die Grafikleistung sei nicht zufriedenstellend gewesen. Bereits 2000 hatten die GBA-Entwickler in einem Interview erwähnt, zunächst an einem Handheld mit einer vertikalen Ausrichtung gearbeitet zu haben. Wegen des Bildschirmes, der größer als beim Vorgängermodell sein sollte, wäre das Gerät in dieser Form aber zu groß geworden – schaut euch nur einmal das Foto oben an: das Teil daneben ist ein DSi!

Zu groß, zudem zu strombedürftig und zu teuer in der Produktion: „Project Atlantis“ passte nicht zu dem, was sich Nintendo unter einem Handheld vorstellte. Immerhin war der Ur-Game-Boy trotz seiner schwachen Technik wegen seiner Effizienz und Mobilität ein Erfolg geworden. Dass Technik nicht alles ist, hatte Nintendo damals auch schmerzlich mit dem N64 erfahren müssen, das immerhin mit der Technik damaliger Supercomputer ausgestattet war, den Verkaufserwartungen aber hinterherhinkte. „Project Atlantis“, das seiner Zeit technisch um Jahre voraus war, war einfach zu schön, um wahr zu sein.

Anstatt des Monster-Handhelds brachte Nintendo 1998 mit dem Game Boy Color eine weitere Revision des mittlerweile antiken Ur-Game-Boy heraus – diesmal zwar mit Farb-Bildschirm, doch die dahinterstehende Technik wurde bloß marginal aufgebessert. Und doch verkaufte sich das Gerät blendend – besser, als es eine riesige stromsaugende Möchtegern-Mobil-Maschinerie getan hätte. Einmal mehr zeigte sich für Nintendo, dass Technik nicht alles ist.
Ein sehr früher DS-Vorläufer
Noch einen zweiten Prototyp zeigte Kuwahara auf der GDC 2009, und zwar einen Touch-Adapter für den Game Boy Color, den er 1998 entwickelt hatte. Damit konnte er damals das Nintendo-Management aber nicht überzeugen, weil die Touch-Folie den ohnehin schon unter fehlender Hintergrundbeleuchtung leidenden Bildschirm weiter verdunkelte. Man hätte dadurch kaum noch etwas erkannt. Kuwaharas Konzept wurde deswegen verworfen – doch wie die späteren Hardwareprojekte des Konzerns zeigen, ist es alles andere als in Vergessenheit geraten.

Auch ein Klapp-Modell probierte das Team aus, doch daraus wurde ebenfalls nichts: „Wir haben versucht, ein Gerät mit einer Klappe zu machen, wie bei Game & Watch“, sagte Kenichi Sugino, der die Design-Arbeiten am GBA leitete. „Mit einem Deckel wird das Gerät dicker. Wenn es zu dick ist, passt es nicht mehr in die Tasche!“ Im Gegensatz zur Touch-Folie existiert zu diesem Prototyp aber kein Foto.
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Der Touch-Bildschirm-Adapter für den Game Boy Color. Auf diesem Foto ist er an einem Game Boy Advance SP angebracht. Das Bild stammt von der GDC 2009; der Prototyp ist also nur der Adapter auf dem Bildschirm, nicht das ganze Gerät!

Zwölf Jahre für das Projekt Game-Boy-Nachfolger
Kuwahara präsentierte „Project Atlantis“ als „Game-Boy-Advance-Vorgänger“, es ist also kein Prototyp des späteren GBA. Was aber hat es dann mit dessen Entwicklung zu tun? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir die Geschichte rund um das Projekt „Game-Boy-Nachfolger“ ganz am Anfang beginnen lassen.

Der Ur-Game-Boy war von Nintendos R&D1-Abteilung entwickelt worden (wir berichteten). Zwei Ingenieure hatten die Aufgaben der Projektleitung inne: Der üblicherweise als alleiniger Game-Boy-Erfinder genannte Gunpei Yokoi war für das Design, seine rechte Hand Satoru Okada für die Technik des Brotkastens verantwortlich. „Damals waren wir, was die Kosten betrifft, eingeschränkt, sodass wir die Spezifikationen zurückschrauben mussten“, erklärte Okada 2000 in einem Interview. „Von da an wollte ich das Gerät unbedingt aufrüsten.“ Sein Team habe sich mehrere Ideen einfallen lassen, erzählte Okada weiter, habe aber nicht die Gelegenheit gehabt, diese auch in die Tat umzusetzen. Damit spielt er auf die unveröffentlichten Prototypen an.

Die Idee zu einem Game-Boy-Nachfolger reicht also bis ins Jahr 1989 zurück – was kaum überrascht, denn Nintendo beginnt üblicherweise direkt nach der Veröffentlichung einer Hardware mit der Tüftelei an einem Nachfolgemodell. Doch der Game Boy Advance selbst war nur etwa zwei Jahre in der Mache, wie Hardware-Designer Shuichi Tsugawa angab; die Arbeiten begannen erst nach der Veröffentlichung des Game Boy Color.

Der Advanced Game Boy entsteht
Nachdem Gunpei Yokoi 1996 Nintendo verlassen hatte, war die R&D1-Abteilung gespalten worden, sodass für die Entwicklung des Handhelds jetzt die neue Abteilung Nintendo Research & Engineering zuständig war. Satoru Okada war wieder für die Technik des neuen Handhelds verantwortlich, während Kenichi Sugino das Design leitete. Der wenig kreative Projektname „Advanced Game Boy“ – ein weiteres Indiz dafür, dass der GBA nicht mit „Project Atlantis“ identisch ist – sollte sich später in leicht abgewandelter Version als Name des Produkts manifestieren.

Als erstes legte das Team die Größe des Bildschirms und dessen Auflösung fest (240×160 Pixel). Dass diese höher als beim alten Game Boy (160×144 Pixel) sein sollte, stand von Anfang an fest. Aus Kosten-, Leistungs- und Mobilitätsgründen entschieden sich die Entwickler leider wieder gegen eine Hintergrundbeleuchtung. Dies war schon ein großes Problem beim Ur-Game-Boy gewesen. Dafür ist der Farbbildschirm des GBA dem ehrwürdigen Brotkasten meilenweit voraus.

Ausgehend von der Bildschirmgröße wurde die CPU bestimmt. Allein dieser Prozess beanspruchte über ein Jahr, da das Team Feedback von Nintendos Spieleentwicklern einholte und auf Basis dessen immer wieder Änderungen vornehmen musste. „Es gab nur eine richtig große Änderung an der CPU, aber auch zwei oder drei kleinere Sachen und zusätzliche eine Anzahl geringfügiger Änderungen“, erklärte Hardwaredesigner Ryuji Umezu.

32-Bit-Gerät auf Niveau des 16-Bit-SNES mit Unterstützung für 8-Bit-GB
Anders als bei „Project Atlantis“ verzichtete Nintendo diesmal auf modernste Technik, um die Kosten nicht zu sprengen. Verglichen mit dem Ur-GB stellt der GBA trotzdem einen Quantensprung dar. Außerdem wurde der Speicher des Geräts während der Entwicklung noch erhöht, wofür jedoch die Farbpalette von 64.000 auf 32.000 Farben reduziert werden musste. Der finale GBA bringt nach Entwicklerangaben etwa ein Zehntel der Leistung des N64 auf – man vergleiche dies mit Project Atlantis, das mit der Heimkonsole etwa gleichauf gewesen sein soll, und das noch ein paar Jahre früher! Der GBA befindet sich also etwa auf dem Niveau des SNES, weswegen er anstelle von 3D-Polygonen nach wie vor auf 2D-Grafik spezialisiert ist.

Wichtig war Nintendo außerdem, dass der Advanced Game Boy abwärtskompatibel zum 8-Bit-GB ist. Dazu wurde dem Gerät als Co-Prozessor der Z80 einverleibt, der auch im Ur-Game-Boy werkelt. Sobald ein Game-Boy-(Color-)Spiel eingesteckt wird, übernimmt der Z80 die Rechenarbeit. Dem System „beizubringen“, wie man ein solches Modul von einer GBA-Cartridge unterscheidet, war aber gar nicht so einfach. Okada sah dafür keine andere Lösung, als die GBA-Module mit einer Einbuchtung zu versehen, anhand derer das Gerät sie von den alten Modulen abgrenzen kann. Dann musste noch sichergestellt werden, dass alle alten GB-Spiele auch wirklich auf dem GBA funktionierten. „Wir haben alle vorherigen Game-Boy-Spiele auf Kompatibilität geprüft“, versicherte Umezu. „Weil das echt viele Titel sind, war das ganz schön schwierig.“

Das Hardwaredesign – eine Gratwanderung
Wegen des 3:2-Bildschirms wählte das Team eine horizontale Ausrichtung für den GBA. Zum ursprünglichen Design gehörten noch nicht die L-/R-Schultertasten; diese wurden erst integriert, als die konsultierenden Spieleentwickler den Wunsch nach mehr Tasten äußerten. Besonderes Augenmerk legten die Hardwaredesigner des GBA darauf, dass das Gerät so klein und sein Gewicht so ausbalanciert wie nur möglich ist. Die Platzierung der relativ schweren Batterien war daher von großer Bedeutung. 140 g wiegt der GBA nach Angaben von Nintendo.

Von der Entwicklung des Game Boy Advance haben wir im ersten Teil berichtet, doch damit war die Geschichte der Konsole ja noch nicht zu Ende erzählt. Im Gegenteil, jetzt fängt sie erst so richtig an! In Teil zwei unserer Reportage geht es um Ankündigung und Markteinführung des Geräts, außerdem um den Game Boy Advance SP und den Game Boy Mikro und natürlich um die Spiele, die Verkaufszahlen und die Erweiterungen. Viel Spaß
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GBA-Ankündigung im Schatten des GameCube
Nach den Gerüchten rund um „Project Atlantis“ 1996 wurde es wieder sehr ruhig um einen Game-Boy-Nachfolger, immerhin verkaufte sich das alte Gerät noch wie geschnitten Brot. Am 1. September 1999 kündigte Nintendo schließlich den Game Boy Advance offiziell an und gab die genauen Spezifikationen bekannt. Bestätigt wurden außerdem die Abwärtskompatibilität zu den alten GB-Spielen sowie die Möglichkeit, das Gerät per Handy mit dem Internet zu verbinden, um so etwa Spiele herunterzuladen oder mit Freunden zu kommunizieren. Diese Funktion wurde letztlich nicht wie angekündigt umgesetzt. Dies gilt auch für den damals genannten Erscheinungstermin von August 2000 für Japan und Ende 2000 für den Rest der Welt.

Die Ankündigung des GBA ging leider inmitten der Gerüchte rund um Dolphin, den Nachfolger des N64, völlig unter. GBA und Dolphin stellte Nintendo auf der Nintendo Space World am 24. August 2000 erstmals der Öffentlichkeit vor – das Aussehen des GBA war bis dahin streng geheim gewesen. Obwohl das Interesse am Game Boy der nächsten Generation natürlich groß war – es handelte sich immerhin um das Nachfolgemodell eines Gerätes, das die 100-Millionen-Marke geknackt hatte –, wurde der GBA auf der Space World 2000 komplett vom GameCube überschattet.

Nur ein Remake als Vorzeigespiel
Das mag wohl auch am Spielerepertoire gelegen haben. Denn abgesehen von „Mario Kart“ waren auf der Space World 2000 keine großen Marken für den GBA in Sicht. Dabei hatte sich Nintendo durchaus Mühe gegeben, den GBA unter die Entwickler zu bringen: „Als wir das System zum ersten Mal verschickten, lieferten wir 500 Entwickler-Kits aus“, erklärte Hardwaredesigner Ryuji Umezu damals. „Bei der zweiten Lieferung waren es 1000. Wir haben uns bemüht, ein System zu kreieren, für das es einfach ist, Spiele zu entwickeln.“

In Japan erschien der GBA am 21. März 2001 für 9800 Yen. In Amerika kam er am 11. Juni für knapp 100 US-Dollar heraus, in Europa elf Tage darauf. Das Launch-Line-up ging zwar quantitativ in Ordnung, doch an großen Nintendo-Spielen mangelte es. Der Flaggschiff-Titel „Super Mario Advance“ war zwar ein Klempner-Abenteuer, allerdings handelte es sich dabei bloß um eine Neuauflage von „Super Mario Bros. 2“. Nichtsdestotrotz: Von März bis Juni wurde die Mobilkonsole in Japan bereits 1,6 Millionen Mal verkauft und zum US-Start standen 500.000 Exemplare bereit.
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in frühes Game-Boy-Dev-Kit. Ihr seht richtig – statt eines Gehäuses sind alle Komponenten inklusive Bildschirm und „Modulschacht“ auf eine Platine gequetscht, und zum Steuern dient noch ein SNES-Controller. Primitiv! Allen frühen Dev-Kits lag als Tech-Demo eine GBA-Umsetzung von „Yoshi's Story“ bei, die nie auf den Markt kam.

Tausend Spiele abseits von Mario
Ein völlig neues „Mario“-Abenteuer sollte der Game Boy Advance im Laufe seines Lebens nicht erhalten, stattdessen folgten noch drei weitere „Mario Advance“-Remakes. Eine Spieleebbe war aber gewiss nicht zu beklagen, denn insgesamt erschienen für den GBA über 1000 Spiele. Darunter befanden sich große Titel wie „The Legend of Zelda: The Minish Cap“, „Metroid Fusion“, „Mario Kart: Super Circuit“ und natürlich „Pokémon Rubin“/„Saphir“/„Smaragd“. Außerdem debütierten Nintendos Traditionsserien „Fire Emblem“ und „Nintendo Wars“/„Advance Wars“ mit ihren GBA-Ablegern erstmals im Westen, und auch einige neue Reihen erblickten auf dem Handheld das Licht der Welt, etwa „WarioWare“, „Mario & Luigi“, „Golden Sun“, „Mario vs. Donkey Kong“ und „Rhythm Heaven“. Von den zahlreichen Spielen der Dritthersteller ganz zu schweigen.

Zeit für ein Redesign: Der Game Boy Advance SP
Eine Hardware-Revision ließ diesmal nicht lange auf sich warten. Bereits drei Monate nach der japanischen Markteinführung des GBA begann das Nintendo-R&E-Team um Kenichi Sugino, an einer Revision zu tüfteln. Im Gegensatz zum ersten GBA-Modell, das so günstig wie möglich sein sollte, wollte das Team diesmal ein etwas teureres und hochwertigeres Gerät anfertigen, wobei sich dies nur auf das Hardwaredesign beschränkte. Nintendo R&E setzte sich das ehrgeizige Ziel, eine Konsole zu gestalten, die allein durch ihr Aussehen zum Kauf überzeugen kann.

Für die Revision griff das Team eine Idee auf, an der man bereits vor der Veröffentlichung des GBA gearbeitet hatte. Die Rede ist vom Klapp-Prototyp, den Nintendo damals aufgrund seiner Breite verwerfen musste. Zu einem höheren Preis war es jetzt aber möglich, einen klappbaren GBA zu entwickeln, der nicht zu dick würde. Außerdem böte eine solche zusammenklappbare Spielekonsole allein mit ihrem Äußeren einen Kaufanreiz. Es war also genau das, wonach die Entwickler gesucht hatten.

Ein Foto des GBA-SP-Prototyps, den Sugino in einem Interview erwähnte, existiert leider nicht – und weil dieser schon 2003 kaum noch zusammenhielt, existiert womöglich auch er selbst nicht mehr. – Vom GBA SP erschien mit den Jahren eine ganze Reihe an Gehäusedesigns. Hier etwa ist ein Exemplar im NES-Controller-Look zu sehen.

Ein wortwörtlich zusammengebastelter Prototyp
Weil Sugino und Co. aber nicht wussten, ob eine teurere, nur äußerlich veränderte Revision auf dem Markt gut ankäme, hielten sie das Projekt zunächst vor dem Nintendo-Management geheim. Sie erstellten erst einmal einen Prototyp, der als Machbarkeitsstudie diente. Dieser sah anders aus als der finale Game Boy Advance SP. „Er war sogar kleiner als manche Handys“, sagte Sugino 2003. „Alle Komponenten des GBA waren integriert, aber wir hatten noch keine Schrauben am Gerät angebracht. Die Scharniere und alle Teile wurden mit Klebstoff zusammengehalten. Unser Ziel war es bloß, den GBA in das kleinstmögliche Gehäuse unterzubringen, sodass er immer noch funktionstüchtig ist. Ich habe den Prototyp immer noch, aber er steht kurz davor, ganz auseinanderzufallen.“

Die Entwickler stellten diesen Prototyp mehreren Leuten innerhalb wie außerhalb Nintendos vor, und das Feedback zum Aussehen des Systems war durchweg positiv. So wurde es schließlich dem Nintendo-Management und dem neuen Konzernchef Satoru Iwata vorgestellt, die ebenfalls einverstanden waren und dem Projekt offiziell Grünes Licht gaben.

Vom Prototyp zum markttauglichen System
Diesen Prototyp markttauglich zu machen, erwies sich als große Hürde. Immerhin musste das System auch robust sein und durfte nicht zu teuer in der Herstellung werden. So ist der finale Game Boy Advance SP („SP“ steht für „special“) ein bisschen größer als der Prototyp. In das System integrierte Nintendo eine – übrigens beliebig ausschaltbare – Hintergrundbeleuchtung sowie einen Akku – alle vorherigen Nintendo-Handhelds liefen mit unbeleuchteten Displays und mit Batterien. Aufgrund des Handy-Booms war die Technik inzwischen so erschwinglich geworden, dass Nintendo sie in einer eigenen Hardware einzusetzen bereit war.

Für den GBA SP hatte Nintendo außerdem an einem Bildschirm gearbeitet, der brillenloses 3D ermöglichen sollte. Aufgrund der nicht sehr hohen Auflösung des Systems wären die autostereoskopischen Bilder aber sehr unscharf gewesen. Deshalb verwarf Nintendo die 3D-Funktion des GBA SP wieder. Einige Jahre später kramte das japanische Unternehmen die Idee bekanntlich für einen neuen Handheld wieder aus den Archiven hervor.

Im März 2003 erschien der Game Boy Advance SP in Japan und im April auch in Amerika und Europa. Mit etwa 100 US-Dollar war das System genauso teuer wie der GBA zwei Jahre zuvor. Eine zweite Variante des SP mit hellerer Hintergrundbeleuchtung folgte 2005 in Amerika und schaffte es 2006 auch nach Europa.
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Der Game Boy Micro macht seinem Namen alle Ehre. Wie schon beim Advance SP werden die Spielmodule in die untere Seite des Systems gesteckt. Dafür entfiel die Abwärtskompatibilität zu alten Game-Boy-(Color-)Spielen, immerhin hätten deren Module sehr weit aus dem Game Boy Micro hinausgeragt und das Gerät reichlich unkomfortabel gemacht.

Der kleinste Game Boy aller Zeiten – ein wahrer Hand-held
Im Herbst 2005 – in Europa am 4. November – kam mit dem Game Boy Micro das letzte als „Game Boy“ bezeichnete Gerät heraus. Es handelt sich um eine weitere Revision des GBA, diesmal mit fast schon mikroskopischen Abmessungen von 50×101×17,2 mm und bloß 80 g Gewicht. Der Game Boy Micro lässt sich zwar nicht mehr zusammenklappen, ist dafür aber das kleinste und kompakteste Design der GBA-Familie. Außerdem verfügt er über denselben verbesserten Bildschirm wie die zweite GBA-SP-Version, diesmal sogar mit vierstufig einstellbarer Hintergrundbeleuchtung.

Dass sich Nintendo für den Game Boy Micro vorgenommen hatte, das kleinstmögliche GBA-Design zu entwickeln, ist ziemlich offensichtlich. „Wir haben uns lange gefragt, wie klein wir den Bildschirm und das ganze Gerät machen konnten“, erzählte Kenichi Sugino, der wieder die Entwicklung leitete, 2005 der Famitsu. „Die Größe der Spielmodule war ja bereits festgelegt. Wir hätten gern dünnere Module gemacht, aber wir können jetzt nicht anfangen, GB-Micro-exklusive Spiele zu veröffentlichen.“

Allerdings kam dem Game Boy Micro trotz vieler Gehäusedesigns und schicker austauschbarer Faceplates kaum Beachtung zu, immerhin war bereits 2004 der Nintendo DS erschienen. Dieser sollte zwar die Game-Boy-Familie nicht ablösen, sondern mit ihr koexistieren, doch bekanntlich kam es anders, als von Nintendo versprochen.

Übersicht über die Verkaufszahlen
Die Systeme der GBA-Familie haben sich insgesamt 81,51 Millionen Mal verkauft; 377,42 Millionen GBA-Spiele gingen weltweit über die Ladentheken. Die jeweiligen Zahlen für Game Boy inklusive Game Boy Color betragen 119 Millionen und 501 Millionen. Der GBA hat also nicht an den Erfolg seines Vorgängers anknüpfen können, doch von einem Flop zu sprechen, ist hier völlig unangemessen – gerade angesichts des GameCube, der auf bloß 22 Millionen verkaufte Einheiten kam.

Am erfolgreichsten war der Handheld in Amerika, denn von den fast 82 Millionen Hardwareverkäufen entfielen 17 Millionen auf Japan, knapp 42 Millionen auf Amerika und rund 23 Millionen auf Europa. Die meistverkaufte GBA-Version war der GBA SP, der weltweit auf über 42 Millionen, das Ur-Modell indes auf bloß über 35 Millionen verkaufte Exemplare kam. Der Game Boy Micro war angesichts dessen mit mickrigen drei Millionen verkauften Exemplaren ein Flop. Die Liste der meistverkauften GBA-Spiele wird von den „Pokémon“-Spielen angeführt – „Rubin“ und „Saphir“, dann „Feuerrot“ und „Blattgrün“ und schließlich „Smaragd“. Erst dann folgen in der Rangliste die „Mario Advance“-Spiele und „Mario Kart Super Circuit“.
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Zwei GamePads mit einer Wii U verbinden – ein Versprechen, das uns Nintendo bis heute zu erfüllen schuldig ist. Ein GameCube und zwei GBAs tun's aber auch.

Asymmetrisches Gameplay neun Jahre vor der Wii U
Für den Game Boy Advance waren einige interessante Peripherien erhältlich – allen voran das Link-Kabel, mit dessen Hilfe der Handheld mit einem GameCube verbunden werden kann. Dadurch lassen sich in den wenigen Spielen, die dieses Feature unterstützen, etwa neue Inhalte freischalten, kleine Spielchen in den Speicher des GBA herunterladen oder das Mobilgerät als Controller für den GameCube verwenden. Vorzeigespiel der GBA-GameCube-Konnektivität war „Pac Man Vs.“ von 2003, bei dem ein GBA als Controller erforderlich ist. Das Ganze erinnert ziemlich an die Wii U mit ihrem GamePad. Damals ist diese Funktion allerdings eher in Vergessenheit geraten.

GBA-Spiele lassen sich indes mithilfe eines GameCube und eines Game Boy Player auch auf dem großen Fernsehbildschirm spielen. Dann gab es da noch den Game Boy Advance Wireless Adapter, der 2004 auf den Markt kam und eine drahtlose Verbindung zwischen mehreren GBA-Systemen und damit einen kabellosen Mehrspieler-Modus ermöglicht. Besonders prominent wurde der Adapter in den „Pokémon”-Spielen verwendet. Ferner zeigte Nintendo auf der E3 2002 mit dem GameEye ein GBA-Pendant der Game Boy Camera, das allerdings nie auf den Markt kam.

eReader und Virtual Console
Zuletzt möchten wir an dieser Stelle den eReader vorstellen. Er erschien in Japan bereits Ende 2001 und in Amerika 2002. Mithilfe dieses Geräts lassen sich spezielle eReader-Karten einlesen, die neue Inhalte für dazugehörige GBA-Spiele freischalten. Die bekannteste eReader-Funktionalität sind die Bonus-Level aus „Super Mario Advance 4: Super Mario Bros. 3”. Allerdings war der eReader wenig erfolgreich und in Europa erschien er gar nicht erst.

In den Genuss der eReader-Level aus „Super Mario Advance 4” kam Europa darum erst, als das Spiel im März 2016 im eShop der Wii U wiederveröffentlicht wurde. Womit wir bereits beim nächsten Thema angelangt sind: Virtual Console. 2014 erklärte Nintendo den Game Boy Advance nämlich offiziell für Retro, denn seitdem erscheinen GBA-Spiele in der Virtual Console der Wii U.

Nicht langlebig, trotzdem erfolgreich
Der Game Boy Advance mag schon nach kurzer Zeit abgelöst worden sein – in seinem dritten Jahr auf dem Markt erschien ja schon der Nintendo DS. Angesichts dessen verkaufte sich das Gerät aber exzellent und wurde noch recht lang mit neuer Software versorgt. Immerhin lassen sich auf dem Ur-DS dank Abwärtskompatibilität auch GBA-Module abspielen. Mit dem Japan-exklusiven „Mother 3” erschien 2006 das letzte große GBA-Spiel, 2007 folgten noch einige Lizenz-Spiele und danach wurde die Spiele-Unterstützung eingestellt.

Der Game Boy Advance ist zwar nicht zu dem geworden, was „Project Atlantis” hätte werden sollen, und an seinen Vorgänger konnte das System weder in Sachen Verkaufszahlen noch in Bezug auf den Kultfaktor anknüpfen. Dennoch war der GBA alles in allem ein großer Erfolg für Nintendo. Er stand zu seiner Zeit praktisch konkurrenzlos da; das zweiterfolgreichste Handheldsystem der sechsten Konsolengeneration war Nokias N-Gage – das bloß auf Verkäufe im niedrigen einstelligen Millionen-Bereich kam. Nintendos Dominanz im Handheldbereich sollte durch den Nintendo DS nur noch weiter ausgebaut werden.


Ende der Game Boy Advance-Ära:
Japan: Ende 2006
Nordamerika: 15. Mai 2010
Europa: Ende 2008


Verkaufszahlen
Weltweit: 81.510.000 (GBA SP & GB Micro 2.42 Mio.)

Am meisten verkauftes Spiel: Pokémon Rubin- und Saphir-Edition (16.000.000 Weltweit)

Game Boy Advance
Vorteile:
  • Sehr komfortabel bei längeren Gaming-Sessions
  • Rückwärtskompatibel mit allen vorherigen Game Boy’s (Gameboy, Gameboy Color)
Nachteile:
  • kein Backlight
Game Boy Advance SP
Stärken:
  • Backlight
  • rückwärtskompatibel mit allen vorherigen Gameboy’s (Gameboy, Gameboy Color)
Schwächen
  • nicht so komfortabel wie der originale Gameboy Advance
Game Boy Advance Micro
Vorteile:
  • sehr klein
  • Face Plates
  • komfortabel für Kinder
Nachteile:
  • für Erwachsene sehr schwer spielbar
  • spielt nur GBA Spiele
  • er ist sehr klein


Quellen: Nintendo Online: Interview mit Satoru Okada, 2000 (Übersetzung bei IGN); Nintendo Online: Interview mit den Entwicklern des Game Boy Advance, 2000 (Übersetzung bei IGN); Leonard Herman: Phoenix: The Fall & Rise of Videogames, 2001, S. 254f, 272; NeoGAF: remember the Nintendo 32-bit 'Atlantis' handheld? it wasn't exactly the GBA, 24. August 2007; Aaron Kaluszka: GDC 2009: The Inspiration Behind Nintendo DSi, Nintendo World Report, 10. März 2010, Fennec Fox: Interview: The Man Behind the GBA SP, Gamespot, 4. Juni 2003; Famitsu: Interview with Game Boy Micro developer Kenichi Sugino (Übersetzung bei famitsu.blogspot.de)
Zuletzt geändert von SGGG am 21.09.2020, 23:53, insgesamt 1-mal geändert.
Black Diamond
Beiträge: 1133
Registriert: 27.11.2012, 16:33

Beitrag von Black Diamond »

Bin gerade mit dem Lesen fertig. Vieles hiervon ist für mich neu. Sehr schön zusammengefasst. Faszinierend wie oft Nintendo seine Ausrichtung im Handheldmarkt geändert hat. Alles andere als souverän wie ich immer dachte. Trotz Konkurrenzlosigkeit solche krassen Ideenwechsel, Firmenauslagerungen und Umstrukturierungen lassen nur einen logischen Schluss zu: Nintendo war durch die schlechten Verkaufszahlen des N64 und dem enormen Erfolg von PS1 und PS2 extremst angespannt. Erstaunlich.
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